Das vermessene Solarpanel

Anfang 2020 hatte ich die Idee, dass ich mir ein kleines Solarpanel zulege und dieses ein Jahr lang „nach allen Regeln der Kunst“ vermesse. Ich wollte Informationen darüber, was man sich so im Laufe eines Jahres von einem Solarpanel erwarten kann.
Das Panel montierte ich an der Südseite der Terrasse, genau im Neigungswinkel des Daches, um zu erfahren was ein Panel am Dach bringt.
Dadurch war es aber fast den ganzen Vormittag im Schatten des Hauses, was andererseits wieder die Information brachte, was ein Panel bei relativ hohem Sonnenstand im Schatten trotzdem noch an Leistung bringt.

Das Panel schaut genau nach Süden, so dass die Sonne beim Meridiandurchgang (= Höchststand) genau vor dem Panel steht.

Solarpanel

Leistung: 50W, Fläche: 0,287m², damaliger Preis: 64,90€

die Leistung eines Solarpanels ist übrigens definiert als die Leistung die es abgibt bei einer SENKRECHTEN Einstrahlung von 1000W/m² und einer Temperatur von 20°C (in letzter Zeit habe ich auch öfters 25°C gelesen)

 

Temperatursensoren

Nachdem ich auch etwas über die Temperatur des Panels wissen wollte, brachte ich zwei Kombisensoren für Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftdruck auf der Rückseite an. Angeschlossen wurden die Sensoren über einen I²C-Bus.
Ich wollte die Sensoren nicht auf der Vorderseite anbringen, weil ich nicht wusste wie das Panel reagiert wenn Teile der Zellen abgeschattet werden. Im Nachhinein betrachtet, weiß ich nicht ob die Sensoren die Temperaturen, die im Sommer auf der Vorderseite herrschten, überlebt hätten.

 

Solarpanel

Auf der linken Seite brachte ich einen Lichtsensor zur Messung der Beleuchtungsstärke an.
Auch dieser Sensor wurde an den I²C-Bus angeschlossen.
Ich montierte den Sensor parallel zur Panel-Oberfläche, was sich als Vorteil herausstellte, weil er anscheinend eine gewisse Richtwirkung senkrecht zur Sensoroberfläche hatte. Somit hatte ich die Beleuchtungsstärke senkrecht zur Panel-Oberfläche.

 

Und jetzt geht's zur EDV :-)

Microcontroller und Raspberry Pi

Die Messungen erfolgten durch einen Arduino, der Abruf der Messdaten, diverse Berechnungen und Speicherung der Daten wurden von einem Raspberry Pi erledigt.

Der Arduino führte im 2-Sekunden Takt Spannungsmessungen, die Strommessung und die Datenabrufe der Sensoren durch. Die Messwerte wurden aufsummiert und vor dem Datenabruf durch die Zahl der Messungen dividiert, wodurch ein Mittelwert über einen beliebigen Zeitraum erstellt werden konnte. Nachdem der Raspberry Pi den Datenabruf im Minutentakt machte, entstand so ein Minutenmittelwert aus 30 Einzelmessungen. Den Arduino programmierte ich in C++.

Der Raspberry Pi berechnete den aktuellen Sonnenstand und ob das Panel im Schatten ist. Weiters wurde die Winkelabweichung der Sonne von der Senkrechten aufs Panel berechnet und der Cosinus dieses Winkels mit abgespeichert. Mit dieser Winkelabweichung wurde die maximal mögliche Leistung in der jeweiligen Minute berechnet. Außerdem rief er im Minutentakt vom Arduino die Daten ab und speicherte sie in einer SQLite Datenbank. Über spezielle Codes konnte er dem Arduino Befehle erteilen, wie z.B. Leuchtdioden oder das Lastrelais ein- und ausschalten. Dieses Programm schrieb ich in Python.

Das Lastrelais konnte eine elektrische Last ein- und ausschalten und wurde vom Arduino bedient. Der Arduino überwachte bei seinen Spannungsmessungen natürlich auch die Akkuspannung. Wenn der Akku voll war, wurde mit dem Lastrelais die Last eingeschaltet und wenn er leer war wieder ausgeschaltet. Auf diese Art wurde das Panel immer mit der maximal möglichen Leistung betrieben.

Die Minutendaten, welche auf diese Weise erzeugt wurden (525600 Datensätze), sind zwar sehr gut geeignet genauere Untersuchungen durchzuführen, aber um größere Zeiträume darzustellen sind sie viel zu fein aufgelöst.
Also habe ich jeden Messwert zuerst auf 10Minuten-Daten umgerechnet, in dem ich sowohl den Mittelwert und das Maximum der zehn 1-Minutenwerte berechnete.
Nach der selben Methode wurden auch Stunden-, Tages- und Monatswerte berechnet.

 

Wie kam ich auf den Einfall?

Das folgende Foto brachte mich überhaupt erst auf die Idee, dass ich genauer untersuche, was so ein Solarpanel im Laufe eines Jahres bringt.

Sonnenuntergang im Laufe eines Jahres

Für dieses Bild fotografierte ich ein ganzes Jahr lang jeden Monat um den 21. herum, immer vom gleichen Standort aus, den Sonnenuntergang. Der Blick geht genau nach Westen. Man sieht hier wunderschon wie sich der Untergangspunkt vom Nordwesten im Juni nach Südwesten im Dezember und wieder zurück bewegt.

 

Und nun zu den Datenauswertungen

 

Globalstrahlung

Zuerst holte ich mir für diesen Zeitraum (1.August 2020 - 31.Juli2021) die Globalstrahlungsdaten und die Lufttemperaturdaten von der TAWES-Station Langenlebarn sowie die Lufttemperaturmessungen von meiner Wetterstation, um einen ungefähren Vergleich zu den Messungen zu haben. Die Stationen (meine Wetterstation + Solarpanel sowie TAWES Langenlebarn) sind zwar etwa 4,5km voneinander entfernt, aber die Daten sind im Verlauf ähnlich genug, dass man Ausreißer im Messverlauf sofort sieht.

Globalstrahlung

Man sieht hier sofort den Effekt der tiefstehenden Sonne in den Wintermonaten, was deutlich weniger verfügbare Leistung bedeutet. Zu den Globalstrahlungsmessungen ist auch noch anzumerken, dass die Sonnenstrahlung am Oberrand der Atmosphäre etwa 1400W/m² beträgt, wovon je nach Zustand der Atmosphäre bei Sonnenschein zwischen 800 und 1100W/m² am Boden ankommen.

 

Helligkeitsverlauf

Beim Helligkeitsverlauf (und auch oben bei der Globalstrahlung) habe ich die Tagesdaten, und da jeweils das Tagesmaximum verwendet. Der Tagesmittelwert hätte wenig Sinn, weil ja bei uns in der Nacht keine Sonne scheint und daher die Messwerte nahe Null liegen.

Helligkeitsverlauf

Auch hier sieht man wieder den Effekt der tiefstehenden Sonne im Winterhalbjahr.
Die maximale Helligkeit im Sommerhalbjahr liegt bei Sonnenschein etwa zwischen 140000 und 160000 Lux. Es gab einen Tag im Winter, da erreichte die Helligkeit knapp über 160000Lux. Der Messwert entstand, weil an dem Tag Schnee gelegen ist und die Bewölkung aufgelockert war. Die Sonne schien zwischen den Wolken durch, das Licht wurde vom Schnee hinauf reflektiert und von den Wolken wieder herunter reflektiert. Durch die Aussummierung von direktem Sonnenlicht und den Reflexionen von den Wolken kam es zu diesem für den Winter eher ungewöhnlichen Messwert.
Es gibt manchmal Tage, an denen sagt man "die Sonne sticht heute wieder". So ein Tag war Ende Juni 2021, da hat die Sonne richtig gestochen und die Helligkeit war 180000Lux.

 

Leistungsverlauf übers Jahr

Beim Leistungsverlauf habe ich wieder das Tagesmaximum genommen. (aus dem gleichen Grund wie oben)

Leistungsverlauf

Es gab im Sommer Tage, da hat das Panel tatsächlich mehr als 50W gebracht. Da muss die Atmosphäre so rein gewesen sein, dass mehr als 1000w/m² herunten angekommen sind.
Andererseits gab es wiederum im Winter Tage,da war es so finster, dass das Tagesmaximum (!) unter einem Watt blieb.
Aber selbst im Sommerhalbjahr kann es so finster sein, dass das Tagesmaximum 5W oder 10W beträgt.

 

Sonnenwinkel und maximal mögliche Leistung

Wenn die Sonne nicht genau senkrecht auf das Panel strahlt, dann müssen die 1000W/m² mit dem Cosinus des Winkels multipliziert werden, um den die Sonne von der Senkrechten aufs Panel abweicht.

Sonnenwinkel und Maximal mögliche Leistung

Die schwarze Linie im Diagramm oben ist die minimale Winkelabweichung der Sonne von der Senkrechten aufs Panel.
Hier sieht man schön, dass die Sonne im Winter vom Mitte November bis nach Mitte Jänner nie näher als 30° an die Senkrechte aufs Panel herankommt. Aber im August und im April gibt es zwei Tage an denen die Sonne zu Mittag genau senkrecht aufs Panel scheint. Der Abstand dieser beiden Tage hängt vom Aufstellungswinkel des Panels ab, ich habe es ja genau im Winkel der Dachschräge montiert.
So ist schön zu sehen, dass bei meiner Dachschräge (38°) schon rein von der Geometrie her, die maximal mögliche Leistung im Winter von 50W bis auf 42W einbricht.(rote Linie im Diagramm)

 

Erzeugte elektrische Energie pro Tag

Wie leicht zu sehen ist, beträgt die Energieerzeugung im Sommer bis über 200Wh pro Tag.

elektrische Energie pro Tag

Die Kurve zeigt wieder den erwarteten Verlauf übers Jahr. Da diese Daten aber Tagessummen sind, sieht man den extremen Einbruch in den Wintermonaten wesentlich besser als bei den Tagesmaxima.
Ich hatte im Dezember und Jänner mehrere Tage an denen ich den 18Ah Akku nicht voll bekam.

 

Prozent der möglichen Energieerzeugung

Dadurch, dass ich zu jeder Minute den Sonnenstand berechnete und damit die Abweichung der Sonne von der Senkrechten aufs Panel auch kannte, war es möglich zu jeder Minute zu berechnen wie viele Prozent von der möglichen Leistung das Panel wirklich brachte. Prozent der möglichen Energieerzeugung

Interessant ist die Tatsache, dass ich das Jahr über nie auf 100% der möglichen Energieerzeugung kam. Die besten Werte im Sommer blieben sogar unter 90%. Und extrem ist der Einbruch im Winterhalbjahr, wo im Dezember und Jänner die Kurve sogar unter 30% blieb.

 

Das Tal der Tränen

Von den Solarleuten habe ich gehört, dass sie den niedrigen Kurvenverlauf im Winter "das Tal der Tränen" nennen.

Im Tal der Tränen

Im obigen Bild habe ich den Verlauf der Prozent der möglichen Wattstunden nur für den Dezember 2020 dargestellt.
Wie man sieht bewegt sich die Kurve das ganze Monat immer unter 25%. Auffallend ist der Zeitraum von 16. bis 21. Dezember, hier bleibt die Energieerzeugung immer unter 2% (zwei Prozent) der maximal möglichen Energieausbeute.
Und von 9. bis 26. Dezember bleibt sie immer unter 16%

 

Einige Gedanken zum Wirkungsgrad

Die angegebene Leistung gilt bei senkrechter Einstrahlung von 1000W/m² und 20°C. Öfter habe ich auch gelesen, dass es bei 25°C gilt.
Die Albedo vom Panel ist 1/6. Die Albedo ist der Teil der Einstrahlung, der ungenutzt sofort wieder reflektiert wird. Diesen Wert habe ich nach wochenlanger Suche in einem Artikel von Scientific American gefunden.
Das heißt, dass von den 1000W/m² gleich einmal 167W ungenutzt reflektiert werden. Es bleiben also 833W über, die im Panel verarbeitet werden können.

nun zu meinem Panel:

es hat eine Fläche von 0.287m², das heißt auf die Panelfläche fallen bei senkrechter Einstrahlung 287W (bei 1000W/m²). Bei einer Leistung von 50W wäre das ein Wirkungsgrad von 17,5%
Wenn die Albedo berücksichtigt wird, bleiben 239W über, was den Wirkungsgrad auf 20,1% steigen lässt.
Also von den 239W werden 50W in Strom verwandelt.
Was aber passiert mit den restlichen 189W (immerhin ein Faktor von 3,78) ?
Die folgenden Daten zeigen es...

 

Paneltemperatur

Hier treten die restlichen 189W in Erscheinung, nämlich bei der Paneltemperatur. Das Panel wird von dieser Leistung erwärmt

Paneltemperatur

Die Temperatur des Panels wurde auf der Rückseite gemessen, was bedeutet, dass sie niedriger ist als auf der Vorderseite. In den Sommermonaten stieg sie bis über 55°C. An solchen Tagen war die Vorderseite mit dem Infrarotthermometer gemessen auf +70°C.
Wieder sieht man den Jahresverlauf mit einem Minimum im Winter und einem Maximum im Sommer.

 

Temperaturdifferenz zur Luft

Ich habe auch die Differenz der Paneltemperatur zur Lufttemperatur berechnet

Temperaturdifferenz zur Luft

Interessant ist hier, dass die Temperaturdifferenz immer positiv ist. Das heißt, das Panel ist bei Sonnenschein und sogar bei Bewölkung, immer wärmer als die Umgebungsluft. Auch im Winter, da ist der Unterschied nicht so groß, aber bei der Sonnenperiode Ende Dezember, sind es immerhin 18°C.
Nur in der Nacht gleicht sich die Temperatur des Panels an die Lufttemperatur an

 

Leistungsverlust

wenn sich ein Solarpanel über die 20°C erwärmt, erleidet es einen Leistungsverlust.

Leistungsverlust

Bei einer Temperaturerhöhung verliert das Panel -0.35%/°C.
Bei den niedrigen Temperaturen im Winter gewinnt es sogar Leistung dazu.
Wie leicht zu erkennen ist, haben wir im Sommer den größten Leistungsverlust, nämlich bis zu 12%.
Wobei ich aber glaube, dass der Verlust noch größer ist, weil die Rückseite wo die Temperatursensoren montiert waren, kühler als die Vorderseite ist. Ich vermute, dass der Verlust im Sommer bei voller Sonneneinstrahlung eher Richtung 15% geht.

 

Thermische Leistung

Jetzt kommen wir zu der Leistung, die ungenutzt einfach in die Atmosphäre abgeführt wird

thermische Leistung

Die thermische Leistung ist bei diesem Panel um einen Faktor 3.78 größer als die elektrische Leistung. Also überschlagsmäßig kann man die Peakleistung einer Photovoltaikanlage mit dem Faktor 4 multiplizieren, dann weiß man etwa welche Wärmeleistung in die Atmosphäre verschleudert wird.
Im Sommer kam mein kleines Panel fallweise auf über 200W thermische Leistung und selbst im Winter kam es fallweise über 100W.

 

Thermische Energie

Natürlich kann man auch hier wieder wie beim Strom aus der Leistung und der Zeit die Energie berechnen

thermische Energie

Hier ist wieder zu sehen, dass die thermische Energie im Sommer zweimal über 800Wh kam und sonst sehr oft über 500Wh war. Im Winter kommen schon allein durch die viel kürzere Tageslänge und den tieferen Sonnenstand weniger Wh zusammen, wir kommen aber trotzdem noch relativ oft über 100Wh. Es gab aber in diesem Winter (2020/21) einige Perioden wo wir ganz knapp über null waren

 

Einige Summen

Hier habe ich dann diverse Messwerte über das Jahr aufsummiert:

Elektrische Energie gesamt: 28,383kWh
Thermische Energie gesamt:107,573kWh !
El. Energie Dezember 2020:530Wh !
El. Energie Juni 2021:4410Wh

 

Mögliche Verbesserungen


Panele steiler montieren, so dass die Sonne im Winter eine kleinere Winkelabweichung hat.

Oberflächenmaterial mit kleinerer Albedo entwickeln.

Photozellen mit besserem Wirkungsgrad entwickeln.

Nach Möglichkeiten suchen, die entstehende Wärme zu nutzen, weil jetzt geht die Wärme ungenutzt in die Atmosphäre und heizt sie auf.
Und genau das wollten wir doch verhindern, oder?

Da müsste sich doch etwas mit Wasserleitungen direkt an den Panelen machen lassen?

 

Zum Schluss noch einige Beispiele

Bei einer 10kWp Anlage entstehen 37.8kW thermische Leistung

Am Sonntag, dem 21.5.2023 wurden in Österreich 13,74GWh elektrische Energie mit Photovoltaik erzeugt.
(Quelle smard.de)
Das heißt 51.9GWh thermische Energie wurden ungenutzt in die Atmosphäre entlassen.
Das ist in einem Tag eine Energiemenge, für die das Donaukraftwerk Greifenstein (4,7GWh/d) 11 Tage laufen muss.
Man kann es auch anders rechnen: Auf meiner Gasrechnung steht, dass der Kubikmeter Erdgas mit etwas mehr als 11kWh berechnet wird. Das wären dann ungefähr 4,7 Millionen Kubikmeter Erdgas, die man sparen könnte, wenn diese Wärme vernünftig genutzt würde.

 

Zusammenfassung

Die Energieausbeute ist im Winterhalbjahr etwa die Hälfte vom Sommerhalbjahr.

Durch die hohe Paneltemperatur im Sommer entsteht ein Leistungsverlust von bis zu 15%.

Die tatsächliche Energieerzeugung erreicht praktisch nie 100% der maximal möglichen, sondern bleibt sogar unter 90%.

Durch den geringen Wirkungsgrad der Umwandlung von Sonnenlicht in elektrische Energie wird fast 4 mal soviel thermische Energie erzeugt wie elektrische Energie.

Diese thermische Energie wird in die Atmosphäre abgegeben, und zwar durch Konvektion und Strahlung (IR)


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